Die Zukunft des Möbeldesigns: Pilz-Myzel als nachhaltiges Material

Wenn wir an Möbel denken, fallen uns zunächst klassische Materialien wie Holz, Metall oder Kunststoff ein. Doch in den letzten Jahren hat sich ein ganz neuer Werkstoff in die Designwelt geschlichen, dessen Herkunft man kaum vermuten würde: Myzel, das Wurzelgeflecht von Pilzen. Während dieses Thema in der breiten Öffentlichkeit noch eher wenig Beachtung findet, gilt es unter Design- und Öko-Experten längst als einer der spannendsten Trends. Pilzmyzel bietet nicht nur eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Materialien, sondern eröffnet zudem völlig neue Möglichkeiten für Formgebung und Raumgestaltung.


1. Was ist Myzel genau?

Myzel, oft auch als Pilzgeflecht oder Hyphengewebe bezeichnet, ist das unterirdische Netzwerk, das Pilze im Boden ausbreiten. Sobald wir einen Pilzkopf im Wald entdecken, sehen wir nur einen kleinen Teil des Organismus – einen sogenannten Fruchtkörper. Das eigentliche Leben des Pilzes findet jedoch größtenteils im Unsichtbaren statt: kilometerlange, feinste Fäden wachsen durch den Boden oder andere Substrate und bilden dabei ein komplexes Netzwerk. Dieses Netzwerk, also das Myzel, kann gezielt kultiviert werden und härtet nach einer bestimmten Zeit zu einem erstaunlich stabilen, leichten und biologisch abbaubaren Material aus.


2. Vorteile von Myzel-Möbeln

  1. Nachhaltigkeit: Im Gegensatz zu Holz, bei dessen Gewinnung häufig große Waldflächen gerodet werden, lässt sich Myzel mit minimalem Ressourcenaufwand in Laboren oder speziellen Farmen züchten. Zudem ist es zu 100% biologisch abbaubar.
  2. Leichtigkeit: Möbel aus Myzel sind oft deutlich leichter als Modelle aus Massivholz oder Metall. Das erleichtert den Transport und reduziert den Energieverbrauch beim Versand.
  3. Ungewöhnliche Formen: Das natürliche Wachstum des Myzels ermöglicht organische Formen, die sonst aufwendig oder gar nicht zu realisieren wären. Designer können mit gezielten Wachstumsformen experimentieren.
  4. Geringe CO₂-Bilanz: Myzel wächst relativ schnell und benötigt für seine Produktion weder große Mengen an Wasser noch energieintensive Maschinen. Das führt zu einer deutlich geringeren CO₂-Bilanz im Vergleich zu vielen herkömmlichen Werkstoffen.
  5. Brandschutz und Schallisolierung: Myzel besitzt – ähnlich wie Mineralwolle – eine gewisse Brandresistenz und kann gleichzeitig Schall absorbieren, was es für Innenräume interessant macht.

3. Vom Labor ins Wohnzimmer: Wie entstehen Myzel-Möbel?

Um Möbel aus Myzel herzustellen, wird zunächst ein geeignetes Substrat – zum Beispiel Sägespäne, Hanfschäben oder landwirtschaftliche Reststoffe – mit Pilzsporen beimpft. In einer kontrollierten Umgebung wächst das Myzel innerhalb weniger Tage bis Wochen durch das Substrat. Dabei verdichtet es sich zu einer Art „natürlichem Verbundstoff“, der anschließend in eine gewünschte Form gebracht wird. Nach einer Trocknungs- oder Härtungsphase erhält man einen leichten, stabilen und formbaren Werkstoff, der in weiterer Folge geschliffen, zugeschnitten oder mit biologischen Harzen versiegelt werden kann.


4. Herausforderungen und Grenzen

Trotz seiner beeindruckenden Eigenschaften steht die Myzel-Technologie noch am Anfang. Einige Aspekte sind noch Gegenstand der Forschung:

  • Wasser- und Feuchtigkeitsempfindlichkeit: Myzel-Produkte müssen gut versiegelt werden, damit sie nicht erneut von Pilzen befallen werden oder sich durch Feuchtigkeit zersetzen.
  • Serienproduktion: Die Wachstumsprozesse lassen sich zwar steuern, aber es ist nicht so einfach, schnelle Massenproduktionen umzusetzen wie bei konventionellen Materialien.
  • Ästhetische Vielfalt: Zwar sind die organischen Strukturen attraktiv, doch nicht jeder schätzt den oft rustikal-natürlichen Look. Hier müssen noch ästhetische Beschichtungen oder Hybridlösungen (z. B. Kombination mit Holzfurnier) entwickelt werden.

5. Integration in die Innenarchitektur

Wer sich für Myzel-Möbel interessiert, kann diese in unterschiedlichen Formen in die Wohnung integrieren:

  1. Stühle und Hocker: Besonders beliebt sind Sitzgelegenheiten, da sie einerseits robust sein müssen, andererseits aber auch leicht und gut transportierbar sein sollen.
  2. Tische und Regale: Durch die Formbarkeit des Materials kann man organische Designs schaffen, die als echte „Eyecatcher“ im Raum wirken.
  3. Akustik-Elemente: Dank seiner schallschluckenden Eigenschaften eignet sich Myzel hervorragend für Wandpaneele oder Trennwände, insbesondere in loftartigen Wohnungen oder Großraumbüros.
  4. Leuchten und Lampenschirme: Myzel lässt sich in dünnen Schichten formen, sodass transluzente Lampenschirme entstehen können, die ein warmes, natürliches Licht erzeugen.

6. Pflege und Haltbarkeit

Obwohl Myzel überraschend robust ist, erfordert es eine gewisse Pflege. Empfehlenswert ist:

  • Regelmäßiges Abstauben: Vor allem bei offenen Strukturen kann sich Staub festsetzen. Eine sanfte Bürste oder ein Staubtuch reichen meist aus.
  • Trocken halten: Bei anhaltender Feuchtigkeit könnte sich das Material wieder zersetzen. Ein Platz fernab direkter Wassereinwirkung ist daher ratsam.
  • Versiegelung erneuern: Je nach Nutzung und Beanspruchung sollte die Oberflächenversiegelung (z. B. auf Ölbasis) in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden.

7. Ein Blick in die Zukunft

Die Forschung und Entwicklung im Bereich Myzel-Möbel und -Baumaterialien schreitet rasant voran. Es ist gut vorstellbar, dass in den kommenden Jahren immer mehr Start-ups und etablierte Hersteller in diese Technologie investieren. Dabei könnten großformatige Bauelemente oder modulare Wohnkonzepte entstehen, die nicht nur „grüner“, sondern auch gesünder sind – denn sie enthalten keine giftigen Klebstoffe oder Schadstoffe.

Für Innenarchitekten, Designer und ökologisch denkende Verbraucher ist Myzel nicht weniger als ein Versprechen auf eine nachhaltigere Wohnkultur. Und vielleicht steht in einigen Jahren Myzel nicht nur für ungewöhnliches Design, sondern wird zum Mainstream in der umweltbewussten Einrichtungswelt.

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